Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt – Institut für Methodik der Fernerkundung
Das Team SAR-Ozeanografie an der „Forschungsstelle für Maritime Sicherheit“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen beschäftigt sich mit der Entwicklung von Algorithmen, die aus Radaraufnahmen (Synthetic Aperture Radar (SAR)) unterschiedlicher Satelliten Informationen zum Zustand der Meere extrahieren und in naher Echtzeit Nutzern bereitstellen.
Zu den extrahierten Informationen zählen:
- – Meteorologische Größen, wie Wind und Seegang
- – Position und Größe von im offenen Wasser treibenden Eisbergen sowie Beschaffenheit und Bewegung von Meereis in den Polarregionen der Erde
- – Topografische Veränderungen von Küstenlinien und Flussmündungen sowie Verlagerungen von Prielen, Sandbänken und Muschelbeständen im Wattenmeer
- – Einschätzung der Unterwassertopografie
- – Position und Ausmaß von Ölteppichen
- – Position und Kurs von Schiffen
Die gewonnenen Informationen ergeben ein maritimes Lagebild, das der Sicherheit auf den Meeren zugutekommt. So lassen sich beispielsweise in polaren Gewässern, in denen Seewege durch treibende Eisschollen binnen Stunden unpassierbar werden können, mithilfe des Lagebildes Schiffsrouten anpassen und dadurch Unglücke vermeiden. Hilfsmaßnahmen bei Havarien werden durch aktuelle Satellitenaufnahmen unterstützt. Die Bereitstellung genauer Wind- und Seegangsinformationen hilft bei der Planung, dem Bau und der Instandhaltung von Offshore-Windparks zum Beispiel in der Nordsee und dient darüber hinaus der Verbesserung von Wettermodellen und Vorhersagen. Durch die Detektion von Schiffen und Ölteppichen lassen sich illegales Verklappen von Öl und unerlaubte Fischerei nachweisen.
Um möglichst aktuelle Lagebilder bereitzustellen werden Radarsatelliten unterschiedlicher Missionen wie TerraSAR-X, Sentinel-1 oder RADARSAT-2 kombiniert, aber auch Schiffsmeldungen und In-Situ Daten eingebracht und in Nahe-Echtzeit verarbeitet.
In Kampagnen mit verschiedenen wissenschaftlichen, behördlichen und industriellen Nutzern werden die entwickelten Algorithmen erprobt und den Anforderungen angepasst.
Was ist euer Spezialgebiet?
Ozeanografie mittels satellitenbasierten SAR under Verwendung von Bildverarbeitung und Mustererkennung zur Automatisierung von Bildanalyse-Prozessen.
Welche Projekte habt ihr bereits erfolgreich umgesetzt?
- – Aufnahme von SAR-Bildern für Forschungskampagnen der RV Polarstern (u.w. MOSAiC) und Auslieferung an die Brücke der Polarstern zur Erleichterung der polaren Navigation
- – Bereitstellung von Seegangs-Informationen zur weltweiten, kostenlosen Verfügbarkeit im Rahmen der „Climate Change Initiative“ der ESA
- – Durch die entwickelten „Echtzeitdienste für die maritime Sicherheit“ stehen maritime Informationen innerhalb kurzer Zeit bereit.
Mit welchen KI-Methoden arbeitet ihr?
- – Machine Learning (z.B. Support Vector Machines)
- – Deep Learning (z.B. Convolutional Neural Networks)
- – Genetic Algorithms
Wer ist eure Zielgruppe?
- – Schifffahrt
- – Offshore-Konstruktion
- – Behörden mit dem Auftrag der Seeraumsüberwachung
- – (Klima)-Forschung
Wo seht ihr die größten Herausforderungen in den kommenden Jahren?
Die Anwendung von KI nachhaltig gestalten: KI lässt sich leicht als Problemlöser einsetzen. Ihre Anwendung verschlingt aber ungleichmäßig mehr Ressourcen (Chipfertigung, Stromverbrauch, etc.), verglichen mit konventionellen Methoden. Die Ressourcenverschwendung wird selten abgewägt.
Was sind die größten Potenziale von KI in eurer Branche?
Es können Prozesse zur Auswertung von SAR-Aufnahmen automatisiert werden, welche früher zu komplex für eine Maschine waren. Auch können Abhängigkeiten zu Rahmenbedingungen bei der Informationsextraktion berücksichtigt werden, welche für einen Menschen zu komplex sind. Im Vergleich zu menschlichen Operatoren*innen, welche SAR-Aufnahmen manuell auswerten, erhöhen sich Geschwindigkeit und Robustheit der abgeleiteten Informationen.
Eine Zukunftsvision: Welches Alltagsproblem wird es dank KI in zehn Jahren nicht mehr geben? Und welches wird weiterhin existieren?
Maus, Tastatur und TouchScreen werden nicht mehr benötigt, um Maschinen zu steuern und es bleibt mehr Zeit für andere Dinge. KI wird allerdings keine wichtigen Probleme lösen (z.B. Rassismus, soziale Ungleichheit oder Klimawandel), sondern durch Recommendation und Filter-Blasen weiter verstärken.